In der Programmreihe „sound//vision“ wird Film wie in einem Konzert als etwas artistisch Dargebotenes, live und individuell Beeinflusstes geizeigt.
Der Spielort, das Kino Worm (Fassade s. Foto), war so umgebaut, dass eine zweite Leinwand an der Seite des Saals, quer zu den aufsteigenden Sitzreihen des Zuschauersaals angebracht war. Entsprechend sammelten sich die meisten Besucher im Eingangsberech des Saals. Hier waren zusätzliche Stühle aufgestellt. Die neue Breite des Raums wurde für ein filmisches „Querfeuer“ mit jeweils zwei 16mm-Projektoren genutzt, von beiden Ecken des Saals ausgehend, überblendeten sich die Bilder der Projektoren auf der Leinwand. Diese Bilder bestanden im ersten Durchgang aus 16mm-Filmen, die im Fast-Forward-Geschwindigekeit mit wilder Handkamera gefilmte Aufnahmen von einer Performance-Aktion irgendwann aus der Zeit, als Coca-Cola-Flaschen noch in Holzkisten geliefert wurden und Männer in der Öffentlichkeit Hüte trugen. Nicht so die gezeigten Künstler. Sie laufen nur mit einer Gasmaske bekleidet durch ein Shopping-Mall und tragen Barren mit gefesselten bzw. erstarrten Menschen darauf zwischen sich. Reine Provokation? Perfomancekunst war (ist?) eine Kunstform die nur im Moment lebendig sein wollte, sich einer Ausstellung im Museum oder in der Gallerie, also dem Status als verkaufbare Ware verweigern wollte. Genau das könnte mit dem Zeigen der Filmaufnahmen aber im Nachhinein doch noch passieren: Auf einem Festival, schön eingebettet als wichtige historische Dokumente. Das Verhindern dieses Effektes war die eigentliche Darbietung am Donnerstagabend im Worm. Der Künstler Rikuro Miyai und Team kolorierten die Schwarzweißbilder ‚live‘ mit Farbschablonen, einige Filme wurden als negativ eingespielt, die Überblendungen der beiden Projektoren, die Dominanz des einen oder anderen Bildes, war einer spontanen Handlung der VorführerInnen geschuldet, ebenso der ‚Schnitt‘, d.h. der Einsatzzeitpunkt für die nächste Filmrolle. Mit einem mindestens 50-punktigen Laserpointer übermalte der Künstler die gezeigten Bilder zudem mit seiner Handschrift. Einen eigenständigen Teil bildete der Soundtrack. Floris Vanhoof saß an einem Tisch mit vielen Kabeln und erzeugte synthetische Klänge aus Amplituden und Frequenzen, die mal rauschend durch verschiedene Tonhöhen modulierten und mal gurgelnd und klagend in zu- und abnehmender Rotation zu höhren waren.
Der zweite Teil war noch direkter artistisch. Der Künstler Makino Takashi stieg auf eine kleine Bühne vor zwei Projektoren. Viele Blicke wandten sich von der Leinwand ab und zum Darsteller hin. Zu sehen war ein „human flicker“. Das bedeutet: Zwei 16mm-Filme von Jun’ichi Okuyama, die ein offenes und ein geschlossenes Auge zeigen, wurden mit zwei Projektoren überblendet. Takashi, der zwischen den Projektoren stand, konnte mit je einem Herrenfächer in jeder Hand das Bild des einen oder anderen Projektors an- und abschalten. Das Auge begann zu zwinkern, immer schneller, Takashi kam ins Schwitzen. Er kontrollierte das Auge das auf ihn und uns blickte. Oder kontrollierte es ihn? Wirkte das Film-Bild in dieser Aktion eher statisch (nur offen oder geschlossen durch Takashis Bewegung) so zeigte der Künstler im Anschluss in einem ‚Painting‘ die Bewegungen des Films selbst, die wir auf der Leinwand normalerweise nicht mehr sehen. Er bemalte eine leere Filmrolle während sie durch den Projektor lief mit seinen Fingerabdrücken in roter Tinte. Bei jedem ‚Stempel‘ gab er laut Bescheid, sodass die Verzögerung zwischen Stempelhandlung und rotem Fingerabdruck auf der Leinwand bemerkbar wurde. Am Ende wischte er den ganzen noch immer durch den Projektor surrenden Film mit einem Tuch wieder ab. Auch hier blieb also nichts Verwertbares zurück. Außer unseren Eindrücken, die damit hier vermerkt wären.