The Double

Dieser Kurzfilm wurde von den Regisseuren Roy Villevoye und Jan Dietvorst geschaffen und dauert 21 Minuten. In den ersten ca.16 Minuten wird gezeigt wie ein Mann eine Skulptur à la Madame Tussaud bildet. Er hat eine sehr robuste und harte Art an sich, wie er die Beine und Arme zusammenfügt, an ihnen herumsägt und sie in die richtige Form bringt, dabei untermalt vom Fluchen und lautem verärgertem Aufstöhnen. Gleichzeitig besitzt er eine unfassbare Liebe zum Detail. Jeder einzelne Leberfleck wird aufgezeichnet, jedes Armhaar wird Schritt für Schritt in die ,,Haut“gestochen. Es ist unfassbar spannend diesem Mann bei seiner Arbeit zuzugucken, man kann nur ahnen wie lange seine Ausbildung gedauert haben muss, um eine solche Perfektion zu besitzen. Im Hintergrund erzählen die Regisseure von einem Mann, dem Mann der vor den Augen der Zuschauer so langsam zum Leben erwacht. Vincent ist sein Name. Die Mimik die in dem Gesicht der Skulptur wiedergespiegelt wird, hat einen sehr grimmigen und harten Gesichtsausdruck. Im Gegensatz zu der grimmigen Mimik, wird von einem großherzigen und weltoffenen Mann berichtet, z.B. fing er an auf der Straße zu leben, weil er sich für die Leute interessierte und um sie besser verstehen zu können. Ein Mann der, wie die Regisseure später erzählen, seit 40 Jahren in Papua lebt. Er hat sich für ein Leben in einer einfachen Holzhütte entschieden. Vincent hat die westliche Welt hinter sich gelassen und möchte mit dieser nichts mehr zu tun haben. Die Menschen die zusammen mit ihm in diesem Dorf leben, respektieren ihn da er ihnen hilft wo er nur kann, aber trotzdem seine Grenzen und Regeln hat. Die Dorfbewohner werden in den letzten ca. 5 Minuten interviewt und befragt. Bevor die Idee einen Film über ihn zu drehen überhaupt entstanden ist, wollten sie ihn kennenlernen, was eine Herausforderung war. Vincent schien eher ein Mythos, als ein wirklicher Mensch zu sein. Als es dann doch zu einem Treffen kam, waren sie so beeindruckt, dass sie unbedingt diesen Film drehen wollten. Doch Vincent wollte unter keinen Bedingungen gefilmt werden. Also war die Frage, wie man einen Film über eine Person drehen kann, ohne diese als Protagonisten vorkommen zu lassen. Einen professionellen Schauspieler zu nehmen schien zu langweilig. Die Antwort: wir lassen ein fast perfektes Abbild schaffen und Filmen diesen Prozess. Einerseits habe ich mich gefragt, ob dies nicht respektlos dem Mann gegenüber sei. Ein Mann der sich bewusst gegen den Westen entschieden hat und nun durch einen Film wieder ein Teil davon ist. Ein Film der jetzt an einem Wettbewerb teilnimmt. Ein Wettbewerb welcher absoluter Luxus ist und einen Teil der Dekadenz des Westens widerspiegelt. Gerade dieser Dekadenz hat, so wie ich es verstanden habe, Vincent den Rücken zu gekehrt. Andererseits gibt der Film einem einen Denkanstoß und ich hab mich selbst, wie so oft gefragt, was brauche ich eigentlich um wirklich glücklich zu sein. Dieser Mann zeigt, dass man seinen Frieden auch außerhalb von Geld, Konsum und absolutem Überfluss haben kann.

Tiger Awards Competition for Short Films 1

Freitag, 16:45. Im Lantaren Venster beginnt endlich die Programmreihe, die uns viele schlaflose Nächte erwartungsvoller Vorfreude beschert hat: Es ist Zeit für den Ersten Teil der Tiger Awards Competition for Short Films.
79 minuten Material gezeigt in drei Filmen. Das Screening beginnt mit „Nhung lá thu Panduranga“, angekündigt als meditative Darstellung über die Omnipräsenz von Geschichte. Auf die Leinwand gebracht durch eine dokumentarisch anmutende, bildliche Beschreibung des Wandels Vietnams. Beispielsweise die der Konvertierung eines spirituellen Heiligtums der einheimischen Chams zu Vietnams erstem Atomkraftwerk.
Ein wichtiger Schritt progressiven Strukturwandels bei dem nicht alle Gewinnen. Im Stil einer Reportage zieht Regisseur Nguyen Trinh Thi ein bedrückendes Fazit aus der altbekannten Thematik von Traditionen vs. Fortschritt .

Etwas aufsehensheischender; Film nummer 2: Engram of Returning. Schöpfer Daïchi Saïto sitzt im Publikum.
Das als episches und metaphysisches Reiselogbuch angekündigte Werk schafft es nicht, alle Zuschauer 19 minuten lang im Saal zu halten. Die jedoch, die sitzen bleiben, erleben eine fantastische Traumreise unterlegt mit feinster Kakophonie eines Tenor Saxophons, dass auf eine Snaredrum bläst. Ein Flickerstreifen, zusammengestellt aus erworbenem Footage, repräsentiert Schlüsseljahre in Saïtos Leben. Ein Leben, in dem das Medium Film nicht immer im Zentrum stand und somit Einblicke gewährt in eine gefühlsvolle Welt von Erinnerungen. Chapeau Herr Saïto – das Publikum ist verstört. Zumindest Teile unserer Gruppe haben Sie begeistert!

Der dritte und letzte Akt der Vorführung brachte uns dann wieder in Einklang mit dem Rest des Publikums. Filmemacher Nazli Dincel sperrt auf ästhetischer 16mm-Rolle einen Dreiteiler der so manchen Konservativen aufstoßen könnte. In dem Stück, das den tiefsinnigen Namen Solitary Acts trägt flimmernd Sätze wie: „She was 9, 10, 11, 12, 13 – she lost her virginity through a carrot – and afterwards she ate it – and herself.“ Als bildliche Hintermalung ist eine Hand zu sehen, die zu brüchig goldlackierten Fingernägeln gehört und die anwesenden Zuschauern mastrubierend in Atem hält. Close up – lange, und gefühlt längere Minuten fokussiert auf ein erregtes weibliches Geschlechtsteil.

Szenenwechsel. Brüchig goldlakierte Fingernägel gehören nun zu einer männlichen Hand. Das erregte weibliche Geschlechtsteil wird abgelöst durch ein männliches. Zwischen erotischer Selbsterfahrung und Perversion: Vor uns spielt sich die mit den Mastrubierern dieser Welt solidarisierte Hinterfragung des Mediums Film ab. Mit Traditionen der Porno-Industrie wird genauso gebrochen wie mit der romantischen Vorstellung Rosamunde Pilchers. Erwachsenwerden ist nicht leicht. Unsere schemenhaft beschriebene Protagonisten erlebt nicht nur die Freuden von Gemüse, sondern auch eine Abtreibung resultierend aus einer gescheiterten Beziehung im Erwachsenenalter.

 

Das Licht geht an – wir sehen uns um. Tiger Awards Competition 1/6: Eine experementielle Achterbahnfahrt bei der nicht alle Fahrgäste das Ende erreicht haben. Input zu kontroversen Diskussionen. Zur Genüge.

 

Mehr zum Film solitary acts (Interview mit der Filmemacherin): https://iffr.com/en/professionals/blog/please-welcome-nazli-din%C3%A7el

 

sound//vision

In der Programmreihe „sound//vision“ wird Film wie in einem Konzert als etwas artistisch Dargebotenes, live und individuell Beeinflusstes geizeigt.

Der Spielort, das Kino Worm (Fassade s. Foto), war so umgebaut, dass eine zweite Leinwand an der Seite des Saals, quer zu den aufsteigenden Sitzreihen des Zuschauersaals angebracht war. Entsprechend sammelten sich die meisten Besucher im Eingangsberech des Saals. Hier waren zusätzliche Stühle aufgestellt. Die neue Breite des Raums wurde für ein filmisches „Querfeuer“ mit jeweils zwei 16mm-Projektoren genutzt, von beiden Ecken des Saals ausgehend, überblendeten sich die Bilder der Projektoren auf der Leinwand. Diese Bilder bestanden im ersten Durchgang aus 16mm-Filmen, die im Fast-Forward-Geschwindigekeit mit wilder Handkamera gefilmte Aufnahmen von einer Performance-Aktion irgendwann aus der Zeit, als Coca-Cola-Flaschen noch in Holzkisten geliefert wurden und Männer in der Öffentlichkeit Hüte trugen. Nicht so die gezeigten Künstler. Sie laufen nur mit einer Gasmaske bekleidet durch ein Shopping-Mall und tragen Barren mit gefesselten bzw. erstarrten Menschen darauf zwischen sich. Reine Provokation? Perfomancekunst war (ist?) eine Kunstform die nur im Moment lebendig sein wollte, sich einer Ausstellung im Museum oder in der Gallerie, also dem Status als verkaufbare Ware verweigern wollte. Genau das könnte mit dem Zeigen der Filmaufnahmen aber im Nachhinein doch noch passieren: Auf einem Festival, schön eingebettet als wichtige historische Dokumente. Das Verhindern dieses Effektes war die eigentliche Darbietung am Donnerstagabend im Worm. Der Künstler Rikuro Miyai und Team kolorierten die Schwarzweißbilder ‚live‘ mit Farbschablonen, einige Filme wurden als negativ eingespielt, die Überblendungen der beiden Projektoren, die Dominanz des einen oder anderen Bildes, war einer spontanen Handlung der VorführerInnen geschuldet, ebenso der ‚Schnitt‘, d.h. der Einsatzzeitpunkt für die nächste Filmrolle. Mit einem mindestens 50-punktigen Laserpointer übermalte der Künstler die gezeigten Bilder zudem mit seiner Handschrift. Einen eigenständigen Teil bildete der Soundtrack. Floris Vanhoof saß an einem Tisch mit vielen Kabeln und erzeugte synthetische Klänge aus Amplituden und Frequenzen, die mal rauschend durch verschiedene Tonhöhen modulierten und mal gurgelnd und klagend in zu- und abnehmender Rotation zu höhren waren.

Der zweite Teil war noch direkter artistisch. Der Künstler Makino Takashi stieg auf eine kleine Bühne vor zwei Projektoren. Viele Blicke wandten sich von der Leinwand ab und zum Darsteller hin. Zu sehen war ein „human flicker“. Das bedeutet: Zwei 16mm-Filme von Jun’ichi Okuyama, die ein offenes und ein geschlossenes Auge zeigen, wurden mit zwei Projektoren überblendet. Takashi, der zwischen den Projektoren stand, konnte mit je einem Herrenfächer in jeder Hand das Bild des einen oder anderen Projektors an- und abschalten. Das Auge begann zu zwinkern, immer schneller, Takashi kam ins Schwitzen. Er kontrollierte das Auge das auf ihn und uns blickte. Oder kontrollierte es ihn? Wirkte das Film-Bild in dieser Aktion eher statisch (nur offen oder geschlossen durch Takashis Bewegung) so zeigte der Künstler im Anschluss in einem ‚Painting‘ die Bewegungen des Films selbst, die wir auf der Leinwand normalerweise nicht mehr sehen. Er bemalte eine leere Filmrolle während sie durch den Projektor lief mit seinen Fingerabdrücken in roter Tinte. Bei jedem ‚Stempel‘ gab er laut Bescheid, sodass die Verzögerung zwischen Stempelhandlung und rotem Fingerabdruck auf der Leinwand bemerkbar wurde. Am Ende wischte er den ganzen noch immer durch den Projektor surrenden Film mit einem Tuch wieder ab. Auch hier blieb also nichts Verwertbares zurück. Außer unseren Eindrücken, die damit hier vermerkt wären.

Ankunft, erste Eindrücke

Endlich angekommen! Nach ungefähr 6 Stunden Fahrt (inklusive Stau und Umleitung) haben wir es geschafft! Überall in der Stadt sieht man das Symbol vom IFFR, ob als Fahnenallee in der Innenstadt, in Schaufenstern oder als riesige LED-Anzeigen an Gebäuden. Uns wird nochmal klar, wie riesig dieses Festival ist und wie groß die Ehre ist, ein Teil davon sein zu dürfen! Wir werden direkt von der typisch niederländischen Freundlichkeit empfangen. Der Magen knurrt zwar, aber da parken für 9 Minuten 0,50€ kostet -Großstadt halt- wird erstmal das Organisatorische geklärt. Wir holen die Industry-Pässe ab, mit denen wir in die Veranstaltungen kommen, dazu bekommen wir noch eine ziemlich lässige Tasche in der Programm und Einladungen enthalten sind. Jetzt heißt es noch schnell einen Parkplatz suchen, um dort das ganze Wochenende, am besten umsonst, zu stehen.
Kleiner Tipp: Noordereiland, man sollte zwar alle Wertgegenstände aus dem Auto entfernen, da sonst das Auto geknackt wird, ansonsten der perfekte Platz um sein Auto umsonst zu parken.
Auf dem Weg zum Hostel können wir unser Staunen kaum zurückhalten. Die Niederlande ist ja bekannt für ihre verrückte Architektur, aber Rotterdam setzt nochmal einen oben drauf, für Architekturfreaks der perfekte Schauplatz!
Vom Parkplatz geht es zu Fuß zum Hostel, ein cooles Hostel für junge Reisende! Während die Daten in den Computer eingetippt werden, wird fröhlich mitgepfiffen und gesungen. Herrlich!
Schnell die Sachen abgelegt und schon geht es weiter, wir holen uns in einem kleinen Imbiss noch was zu essen und sprechen über die Programmaufteilung des Festivals.
Bright Future: Kurzfilme, Junge und neue Künstler zeigen ihr Können
Voices: Filme die für ihre Qualität stehen und von angesehenen Filmemachern gedreht wurden
Deep Focus: Kunstfilme die von unabhängigen Filmemachen gedreht wurden, sowohl jung als auch alt.
Perspectives: Hier geht um visuelle Effekte, Live Act’s kurz: ein alternatives Programme zu Kurz- und Langfilmen!
Über das erste Filmprogramm an diesem Abend berichtet Hajo!

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